Nachdem
ich abends an vier bis fünf Orten vergebens etwas Interessantes
aufgesucht hatte, fixierte ich mich endlich bei Lady C...,
durch die Bekanntschaft eines Capitain P... gefesselt, ein
halber Deutscher, der eben aus dem Morgenlande zurückkam,
und eine sehr anziehende Beschreibung seiner dortigen Reisen
machte. Er erzählte mir unter andern folgendes von Lady
Stanhope, einer Nichte Pitts, die vor zehn Jahren England
verlassen, eine Türkin geworden, und sich in Syrien etabliert
hat.
Sie wird jetzt von den Arabern wie eine Prophetin verehrt,
und lebt mit allem Ansehen und der Pracht einer eingebornen
Fürstin, erlaubt aber Europäern nur sehr selten
den Zutritt.
Mit vieler Mühe und durch besondere Intrigen, gelang
es endlich Capt. P... vor sie zu kommen. Das erste was sie
mit ihm sprach, war die Aufforderung: sein Ehrenwort zu geben,
daß er nie etwas über sie schreiben wolle. Sobald
dieser Eid geleistet war (zu dem ich gottlob nicht verpflichtet
wurde), ward sie sehr heiter und gesprächig, und zeigte
sich ebenso unbefangen als geistreich. Sie machte kein Geheimnis
daraus, daß sie dem christlichen Glauben entsagt habe,
vertraute ihm aber zugleich, daß sie den wahren Sohn
Gottes erst erwarte, dem sie selbst den Weg zu bahnen bestimmt
sei. Hierauf zeigte sie dem Capitain eine prachtvolle arabische
Stute vom edelsten Blut, die einen so seltsamen Knochenauswuchs
auf dem Rücken hatte, daß dadurch die ganz ähnliche
Figur eines Sattels gebildet wurde. »Dieses Pferd«,
sagte sie, mit einer Miene, von der Capt. P... behauptete,
noch jetzt nicht zu wissen, ob sie Tollheit oder die Lust
ihn zum besten zu haben verraten, »dieses Pferd hat
Gott selbst für seinen Sohn gesattelt, und wehe dem Menschen,
dessen Fuß es zu besteigen wagte! Unter meiner Obhut
aber erwartet es seinen echten Herrn.«
Im Verlaufe des Gesprächs versicherte sie ihm noch en
passant, daß Adam noch immer lebe, sie wisse auch recht
gut wo er sich aufhalte, könne sich aber darüber
nicht deutlicher erklären.
P... erwiderte, er zweifle daran nicht, der alte Adam sei
auch ihm sehr wohl bekannt. (Ich bemerke, daß Capt.
P... auf einer deutschen Universität studiert hat, woher
er wahrscheinlich den alten Adam kennt.)
Die Frau vom Hause, Lady Ch..., dieselbe, deren grenzenlose
Verehrung Napoleons ich schon erwähnte, hörte uns
zu, und versicherte dem Capitain, er könne sich darauf
verlassen, daß Lady Esther ihn wirklich bloß gefoppt
habe, denn sie kenne sie genau, da sie mit ihr lange sehr
intim gelebt, und nie habe es einen klareren, determinierteren
und zugleich schlaueren weiblichen Geist gegeben.
Auf jeden Fall hat sie für eine solche Persönlichkeit
zwischen Abend- und Morgenland einen guten Tausch gemacht.
Sie herrscht, ist selbst unabhängig wie der Vogel in
der Luft, und hätte inmitten der Zivilisation sich der
Sklaverei nie entreißen können, die vielleicht
immer und ewig eben die Schattenseite aller Zivilisation bleiben
muß.