Hermann (Ludwig Heinrich)
Fürst von Pückler-Muskau

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Besuch des Fürsten Pücklers bei Lady Hester Stanhope
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Den 3ten April 1837

Nachdem ich abends an vier bis fünf Orten vergebens etwas Interessantes aufgesucht hatte, fixierte ich mich endlich bei Lady C..., durch die Bekanntschaft eines Capitain P... gefesselt, ein halber Deutscher, der eben aus dem Morgenlande zurückkam, und eine sehr anziehende Beschreibung seiner dortigen Reisen machte. Er erzählte mir unter andern folgendes von Lady Stanhope, einer Nichte Pitts, die vor zehn Jahren England verlassen, eine Türkin geworden, und sich in Syrien etabliert hat.
Sie wird jetzt von den Arabern wie eine Prophetin verehrt, und lebt mit allem Ansehen und der Pracht einer eingebornen Fürstin, erlaubt aber Europäern nur sehr selten den Zutritt.
Mit vieler Mühe und durch besondere Intrigen, gelang es endlich Capt. P... vor sie zu kommen. Das erste was sie mit ihm sprach, war die Aufforderung: sein Ehrenwort zu geben, daß er nie etwas über sie schreiben wolle. Sobald dieser Eid geleistet war (zu dem ich gottlob nicht verpflichtet wurde), ward sie sehr heiter und gesprächig, und zeigte sich ebenso unbefangen als geistreich. Sie machte kein Geheimnis daraus, daß sie dem christlichen Glauben entsagt habe, vertraute ihm aber zugleich, daß sie den wahren Sohn Gottes erst erwarte, dem sie selbst den Weg zu bahnen bestimmt sei. Hierauf zeigte sie dem Capitain eine prachtvolle arabische Stute vom edelsten Blut, die einen so seltsamen Knochenauswuchs auf dem Rücken hatte, daß dadurch die ganz ähnliche Figur eines Sattels gebildet wurde. »Dieses Pferd«, sagte sie, mit einer Miene, von der Capt. P... behauptete, noch jetzt nicht zu wissen, ob sie Tollheit oder die Lust ihn zum besten zu haben verraten, »dieses Pferd hat Gott selbst für seinen Sohn gesattelt, und wehe dem Menschen, dessen Fuß es zu besteigen wagte! Unter meiner Obhut aber erwartet es seinen echten Herrn.«
Im Verlaufe des Gesprächs versicherte sie ihm noch en passant, daß Adam noch immer lebe, sie wisse auch recht gut wo er sich aufhalte, könne sich aber darüber nicht deutlicher erklären.
P... erwiderte, er zweifle daran nicht, der alte Adam sei auch ihm sehr wohl bekannt. (Ich bemerke, daß Capt. P... auf einer deutschen Universität studiert hat, woher er wahrscheinlich den alten Adam kennt.)
Die Frau vom Hause, Lady Ch..., dieselbe, deren grenzenlose Verehrung Napoleons ich schon erwähnte, hörte uns zu, und versicherte dem Capitain, er könne sich darauf verlassen, daß Lady Esther ihn wirklich bloß gefoppt habe, denn sie kenne sie genau, da sie mit ihr lange sehr intim gelebt, und nie habe es einen klareren, determinierteren und zugleich schlaueren weiblichen Geist gegeben.
Auf jeden Fall hat sie für eine solche Persönlichkeit zwischen Abend- und Morgenland einen guten Tausch gemacht. Sie herrscht, ist selbst unabhängig wie der Vogel in der Luft, und hätte inmitten der Zivilisation sich der Sklaverei nie entreißen können, die vielleicht immer und ewig eben die Schattenseite aller Zivilisation bleiben muß.

 

Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/pueckler/verstorb/vers14.htm

http://www.fuerstpueckler.de
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